by Yü
von Yü
Tag : zangief
by Yü
von Yü
Hi this is Ross Sutherland- just thought I would add some contextual notes for my poem “Zangief”.
I wrote the piece back in 2007, as part of a book of sonnets. I wrote a sonnet for every character from Street Fighter 2. There were twelve in total. I began to imagine the book as a kind-of alternative zodiac. There was even a “personality test” so you could see which street fighter character you were most like.
There’s tremendous amount of contemporary poetry that references greek mythology. However, Greek mythology is no longer taught in British schools. Previous generations were raised to know the stuff off by heart. That leaves modern readers at a little bit of a disadvantage. “Street Fighter Sonnets” was my ironic solution to the problem.
The two-dimensional characters of Street Fighter are empty vessels. They feel like vague caricatures , each reduced to a single personality trait. There’s Zangief, a Russian wrestler fighting for a crumbling republic; Chun Li, an Interpol agent determined to avenge her father’s murder; Vega, a masked bullfighter who believes his strength is in his beauty.
Pride, vengeance, vanity: that’s all they are. Just like the Classics, they’re empty cyphers.
So…if this is true… why not substitute some of our old canonical heroes for these (relatively) new ones?
Obviously Zangief feels pretty ridiculous when translated into the pomposity of the sonnet. In all of these poems, I tried to make the character reflect on their lack of substance. E Honda sits in his bath-house, endlessly writing out his fathers haiku (steam hides the bather / yet it condenses into / ladles of water); Ken finds himself staging empty Hollywood rewrites of his own life story; Dhalsim sits and meditates at the fire temple of Baku, as the flame is switched from natural to mains gas. They are small, pithy portraits of heroes reflecting on their past.
As well as fitting into the tight constraints of the sonnet, I only allowed myself to use details found within the SNES guidebook. These poems were written in 2007 and (although less funny than some of my other stuff) were written with teenagers in mind. I wanted to find a way of connecting to young people that wouldn’t traditionally read poetry.
Love it or hate it, I’m here to discuss the poem further! Happy to answer any questions left below.
Zu Lyrik äußerte Stefan Mesch sich in seinem Kommentar zu Sutherlands Zangief. Auf Facebook kam er damit so leicht nicht davon. Seht selbst:
kurze Texte zu den Gedichten von Ross Sutherland.
Text 2, zu “Zangief”
Konstantin Ames schreibt hier. Kristoffer Cornils hier.
alle Texte von Stefan Mesch: [1. nude III] [2. Zangief] [3. try try try] [4. Branson] [5. Röntgen] [6. Experiment] [7. van Damme]
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erste Idee: Gott. Zangief. so viele Figuren hätte ich als Kind gerne persönlich gekannt (eine Liste meiner Kindheits-Helden ist HIER, eine Liste der Videospiele, die für mich wichtig waren HIER): ich hätte von Dagobert Duck, Papa Schlumpf oder Donatello von den “Turtles” gelernt. Mrs. Brisby oder die Cosbys hätten mich gemocht… und würde ich morgen im “Street Fighter”-Universum aufwachen, ich denke, Chun-Li oder Dhalsim, notfalls Blanka, E. Honda, M. Bison würden mit mir Kaffee trinken: DAS sind die Street Fighter, zu denen ich Anschlusspunkte sehe, die mich auf irgend einem Level interessieren, mir wenigstens als Konzept, Idee sympathisch sind. Zangief macht mir Angst. Zangief macht mich platt. Zangief gehörte ab 1992 (ich war acht oder neun) in die selbe Ecke, in der auch Pippi Langstrumpf lauert, Roseanne oder Bart Simpson: Wären Zangief und ich Teil der selben Realität… ich wäre erledigt. Zangief würde mich ZERSTÖREN.
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haarig. verschwitzt. distanzlos. der tollwütige Blick. die engen Speedos. Bart und Frisur. und sein Spezial-Move, bei dem er den Kopf (!) des Gegners in den Boden rammt… als Heldencomic-Leser kenne ich eine MENGE schlechter, liebloser oder rassistischer Kämpfer- und Haudrauf-Figuren aus Russland. doch Zangief ist die widerlichste, brachialste Schablone für solche Vorurteile: mir gefällt, dass Ross Sutherland mit Rand- und Nebenfiguren meiner Kindheit literarisch arbeitet. aber wirklich: muss es Zangief sein?
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zweite Idee: “Black Island”? gibt es eine vielleicht russische Insel, die… oha: “eine Insel des Kurilen-Archipels. Sie gehört zu Russland, wird aber von Japan als Teil der Unterpräfektur Nemuro, Hokkaidō beansprucht.” Zangief ist die Karikatur eines russischen, chauvinistischen Unterdrückers, erfunden von japanischen Entwicklern. Konstantin Ames denkt das weiter: “Die Frage, die das Gedicht stellt, lautet: Warum sollte ein patriotischer Russe mit einem Bären ringen, der doch sein Land symbolisiert, und den er töten müsste, um den Kampf zu überleben? Wie würde er sich hinterher fühlen? Die Antwort darauf: Es wäre eine Tragödie.”
leider ist die Spielanleitung von Nintendo besser geschrieben, bildstärker, kulturell interessanter und macht mich nachdenklicher als das, was Ross Sutherland dann mit leierndem Rhythmus und Schwurbel-Kitsch-Klischeebildern hinzufügt. gefällt mir nicht.
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dritte Idee: vielleicht langweilt mich “Zangief”, weil hier linear ein einziger simpler Ablauf beschrieben wird: Gedichte stellen Ideen, Worte, Fragen und Bilder gegeneinander, die in 1000 Spannungen und Widersprüchen stehen: nirgends reibt sich so viel offene, nicht abschließend erklär-, entscheidbare Bedeutung auf engstem Raum. mir missfällt die simple, superdick aufgetragene Mann-gegen-Tier-Geschichte, weil sie mich nicht zum Nachdenken bringt oder überrascht.
Ross Sutherland beschreibt die Szene distanziert – und hämisch: Mann und Bär (und also: ganz Russland?) sind “Amputierte”, der “Pelz stinkt nach Scheiße”, die Sinne sind “benebelt”, sogar das Brechen des Genicks klingt “wenig überzeugend”. Konstantin Ames übersetzt “Partner” als “Gespiele” und macht die Szene damit noch schmieriger, läppischer, hermetisch. die Adjektive? “leer”, “schmal”, “dünn”, “wenig überzeugt”: ein dürftiger, trauriger Kampf.
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vierte Idee: Ross Sutherlands “nude III” warf für mich spannende Fragen auf. “Zangief” bleibt zu fadenscheinig, und ich frage ungeduldig und genervt: warum sieht der tote Bär als Bärenleiche auf dem Eis (?), aus wie “eine Flächenkarte von Russland”? unter dem Eis ist “rötlicher Schlick” (nein: auf dem Eis klebt Blut)? “he bleeds until he sees those stars again”: kann man auf der Insel (wegen den Bäumen?) keine Sterne sehen, sondern nur am Boot? geht es, wie Kristoffer Cornils vorschlägt, um kommunistische Sterne oder amerikanische Stars and Stripes? verstehe ich mehr, wenn ich über das Sternbild des Bären recherchiere? mir ist das alles zu vage. oder zu platt. missfällt mir.
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letzte Idee: Zangief hat Pelz auf den SCHIENBEINEN. und: nur da. der Rest seiner Beine ist haarlos.
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gerne gelesen? nein. eine unnahbare, platte und unsympathische Figur wird in einer Sprache beschrieben, die mir falsch, lieblos und aufgesetzt erscheint. “Street Fighter” handelt von Zweikämpfen. die ganze Spielreihe fragt seit über 20 Jahren neu, was passiert, wenn ZWEI Figuren, meist aus verschiedenen Ländern, aufeinander treffen. vielleicht fehlt Ross Sutherland hier vor allem ein würdiges Gegengewicht: der tote, traurige Bär auf dieser schwarzen Insel voll Eis ist kein interessanter / interessant beschriebener Gegner. oder “Gespiele”.
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schlechtestes Wort: “a waltz, a final dance” / “ein Walzer, ein letzter Tanz”: muss JE-DER Zweikampf auf den Tod immer mit einem TANZ verglichen werden? JE-DES Mal? von einem guten Lyriker erwarte ich mehr.
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später / danach:
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“the claw lacerations masked by ginseng” passt nicht ins Reimschema. ich stolpere bei jedem Lesen.
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“Zangief loves his country. But he loves to stomp on his opponents even more”: ich denke an die totalitäre Welt (und ein konkretes Zitat: “If you want a picture of the future, imagine a boot stomping on a human face — forever.”) aus George Orwells (tollem, zurecht geliebten) “1984” und frage mich, ob die amerikanischen Super-Nintendo-Bedienungsanleitungs-Autoren oder die japanischen Capcom-Programmierer Ende der 80er ABSICHTLICH den (totalitären) Russen zum (totalitären) Stampfer machten.
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…und wurde Zangief von Mr. Ts Rolle in “Rocky 3” inspiriert?
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“a man who wrestles bears for fun” = “ein Mann, der aus Übermut mit Bären ringt”? lieber hätte ich die Orginal-Übersetzung der deutschen Spielanleitung gelesen, von ca. 1991.
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“narrow skull” = “die schmale Rummel”? Kompliment an Übersetzer Konstantin Ames. ein Bärenschädel wird “Rummel” genannt?
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ich verstehe, dass Zangief ein Schönheitsideal trifft, vor allem bei schwulen “Bears”. er erinnert mich an japanische Bara-Manga und ich freue mich, dass ihn Fans auf Tumblr oft liebenswerter, tapsiger, Winnie-Puh-hafter darstellen als in den offiziellen Spielen. aber: ich verstehe, was Typen wie DIESEN Mann attraktiv macht. vor Zangief selbst habe ich weiterhin… NUR Angst.
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Ross Sutherland hat über alle 12 “Street Fighter II”-Figuren Gedichte geschrieben, jeden Text von Illustrator*innen gestalten lassen und sie als eBook veröffentlicht. erst, als ich diese eBook-Ankündigung lese, merke ich, dass da “Sonnet” steht, nicht einfach “Gedicht”. erklärt das die Spalten, Zeilenumbrüche, den Rhythmus? hat Ross Sutherland ein “korrektes” Zangief-Sonett geschrieben?
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Zangiefs “prototypical name”, verrät das “Street Fighter”-Wiki, “was Vodka Gobalsky.” na dann!
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weiter mit: Ross Sutherlands »Infinite Lives (Try, try, try again)«
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Stefan Mesch, geboren 1983, schreibt für ZEIT Online und den Berliner Tagesspiegel. Er studierte Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus in Hildesheim, war Herausgeber von BELLA triste und Mitveranstalter des Literaturfestivals PROSANOVA und arbeitet an seinem ersten Roman, “Zimmer voller Freunde”. Als Liveblogger begleitete er u.a. das lit.futur-Festival 2013 und den Berliner Open Mike 2012. Buchtipps, Essays, Interviews und Texte auch auf seinem Blog… und erschreckend oft bei Facebook (Freund werden?).
Originaltext
Ross Sutherland: Zangief
Was soll denn diese Spielzeugwelt schon wieder? Auch das Spiel mit Klischees wirkte im ersten Moment etwas zu vordergründig. Eine Teilbereich der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft bezeichnet sich als Imagologie und hat es sich zur Aufgabe gemacht, nationale Stereotypen zu untersuchen, insofern sie in literarischen Texten auftauchen (einen ersten Überblick gewährt ein Aufsatz von Michail I. Logvinov im philologischen Fachblatt Das Wort, http:// www.daad.ru/wort/ wort2003/Logvinov.Druck.pdf). In Gründungszeiten der Disziplin, Ende des 19. Jahrhunderts, wurde noch qua Untersuchung literarischer Texten nach dem Charakter von Nationen gefahndet; nationalistische Betrachtungsweise sei einem „supranationalen Standpunkt“ des Fachs gewichen. Wie sehr diese Betrachtungsweise der akademischen Einhegung verhaftet ist, das zeigt die Auswahl des Mottos von Zangief. Sutherland verwendet als Motto das Profil der Videogame-Figur des russischen Hünen Zangief aus der Zeit der Super Nintendo Entertainment Systeme, einer frühen Form der Spielekonsolen zum privaten Daddeln jenseits der Videogame-Automaten in Spielehallen. Es wird, kurz gesagt, das Bild des barbarischen Russen gezeichnet, der aus Übermut mit Bären ringt, und auf sehr einfache aber effektive Weise wird diese Propaganda entlarvt: Indem so ein Kampf mit Zangief zuende gedacht wird, und hineingerechnet wird, dass der Bär das Nationalsymbol Russlands ist. Die Frage, die das Gedicht stellt, lautet: Warum sollte ein patriotische Russe mit einem Bären ringen, der doch sein Land symbolisiert, und den er töten müsste, um den Kampf zu überleben? Wie würde er sich hinterher fühlen? Die Antwort darauf: Es wäre eine Tragödie. In diesem Gedicht, ist der Kalte Krieg, der 1991 mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion sein Ende fand, noch nicht zuende: „Er [Zangief] blutet, bis er diese Sterne wiedersieht.“
Zangief ist im Gedicht von Ross Sutherland ebenfalls metonymisch. Aber ist das Gedicht ein Spiel?
Eine erste Antwort darauf jenseits der vermuteten Ebene. verweist uns die Motivkette Kinderspielzeug und Medienkindheit, die mehrere Gedichte Sutherlands verbindet auf etwas viel elementareres und sehr trauriges, auf das schon Henri Bergson in Le rire (dt. Das Lachen. Ein Essay über die Bedeutung des Komischen, übersetzt von Roswitha Plancherel Walter. Hamburg 2011) hingewiesen hat: Der Verdrängung des ´Homo ludens´ und damit verbunden der Fähigkeit, verblüfft zu sein. Bergson zufolge, und ich glaube er meinte das völlig ernst, sterbe der Mensch, wenn er auf natürlichem Wege sterbe, daran, dass er nicht mehr lachen können, weil er die Initiationsszenen vergessen habe, Bergson macht diese Initiation an bestimmten Spielzeugen fest: Springteufel, Hampelmann, u.a.
Friedrich Schiller verband mit seinem Programm einer ästhetischen Erziehung die Maxime, dass der Mensch nur dort frei sei, wo er spiele – dabei konnte er nicht an Spielkonsolen denken und wohl auch nicht an Spielsucht und an das, was die Bewahrpädagogik noch im 20. Jahrhundert als negative Medienwirkungen mit aller Gewalt der Justiziabilität zuführen und zensieren wollte.
Vielleicht ist gerade die Poesie, die von Menschen mit Realitätssinn, den „wirklich praktischen Leuten“ (Christian Morgenstern, Palmström) gern als kindische Zeitverschwendung und Zeitvertreib für arme Schlucker bezeichnet wurde und wird, die beste Möglichkeit, sich die eigene Kindlichkeit und Empfindlichkeit zu bewahren. Ist das sentimentaler Quatsch, oder sogar Eskapismus? Elke Erb, die Grande Dame der experimentellen Lyrik hierzulande, dekretierte mit Blick auf ihr Buch mit dem Titel Sonanz (vielleicht aber mit Blick aufs gesamte Spätwerk) in einem Gespräch mit der Literaturkritikerin Dorothea von Törne: „Es ist Leben, konkret, nicht Spielerei!“ (http://www.welt.de/kultur/literarischewelt/article122399491/Es-ist-Leben-konkret-nicht-Spielerei.html). Die Lektüre einiger Gedichte (Jean Claude Van Damme, Ewige Leben, Zangief) von Ross Sutherland hat mich in meiner Abneigung gegen dieses Erb’sche Verdikt bestärkt – aller meiner Sympathie ihrem Werk und sogar ihrer Persönlichkeit zum Trotz. Ich empfinde es, doch, als ganz und gar entlastend, dass Poesie keinen Berufszweig bezeichnet – und per se eine Zugehörigkeit zum Establishment ausschließt; das schließt auch sämtliche Selbstverteidigungsmaßnahmen ein. Eine solche Herangehensweise spart immens Energie und Würde. Ich glaube auch, dass es der Integrität eines Künstlers durchaus dienlich ist, Menschen zum Schreiben zu bringen und sie zur Kreativität zu ermutigen, wie Ross Sutherland das tut (http://www.rosssutherland. co.uk/main/education). Man muss dazu nicht ranschmeißerisch und schema-f-mäßig vorgehen wie – Bob Ross mit seiner Sendung The Joy of Painting.
Ross Sutherland’s Zangief: Replay the game
Person A:
Pure obsession, drives this mad-man!
What could possibly be strong enough
to get one addicted to not only killing,
but escaping from death’s claws over and over again?
Is it the longing for strength itself?
The simple need for another adrenaline rush,
like a junkie fantasizing about his next shot?
Does he want to proof anything to someone?
Does he actually enjoy that pain?
Why is his mind all about figh…
Person B:
Oh come on! Shut up!
It’s just a game!
von Johannes PG
by Johannes
Referring to: http://comment.lettretage.de/ross-sutherland-zangief/