Originaltext
Ross Sutherland: Jean-Claude Van Damme

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 „Ich halte das Video an“ – Etwas, dass sich als „ich“ bezeichnet, hält das „Video“, als das „ich sehe“ an. Es ist natürlich auch eine ganzer Zeitabschnitt, die Epoche der Video Home System, das letzte Viertel des 20. Jahrhunderts aufgerufen. Der Abschnitt, der mit dem Gang in die Postmoderne, ins postheroische Zeitalter, seinen Abschluss finden sollte.

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Mit einem Tag im September des Jahres 2001 war es mit dieser Illusion vorbei. Alle Szenarien der Traumfabriken vor 9/11, allen voran diejenigen Hollywoods, wirken bemüht, fantasie- und arglos. Die Trauer- und Traumabewältigung hat eine riesige Manichäismus-Maschine in Gang gesetzt. Diese Katastrophe ist in die Erwähnung eines angedrohten terroritischen Anschlags auf die Freiheitsstatue aus einem Actionfilm mit Jean Claude Van Damme eingeschrieben.

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Behaviouiristisch ist das Konzept aber nicht: Von wegen, hie war 9/11, jetzt kommt die Medienkritik alles dessen, was Hollywood aufgefahren hat, um die moralische Überlegenheit der westlichen Hemisphäre über die Achse des Bösen zu bekräftigen. Wenn mich nicht alles täuscht wird im Gedicht Univeral Soldier mit Jean Claude Van Damme, als popkulturelle Referenz hergenommen, dies nachgerade des Settings wegen: Eine umgekommener Kriegsheld wird reaktiviert und als Killermaschine eingesetzt, die sich allerdings gegen das Killerprogramm stellt. Auf diesen Film scheint mir der „Perimeter“, ein markantes Accessoire der Cyborgs in Roland Emmerichs Film hinzuweisen.

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Aktuelle Drohnenhorrorszenarien kann darin erblicken, wer will. Universal Soldier kam Anfang der 1990er in die Kinos und gehört wahrscheinlich zur Fernsehsozialisation eines Teenagers (Ross Sutherland ist 1979 geboren) dazu, ebenso wie zur literarischen Kunst nicht nur die Intertextualität (nicht selten als Distanzwaffe eingesetzt), sondern selbstverständlich auch Intermedialität, wo Kompetenz jenseits von metrischem Knowing-how, literarturtheoretischen und –geschichtlichen Kenntnissen. Natürlich ist es eine schmerzhafte Bewusstmachung von Ideologie – ganz im Sinne von Žižeks The Pervert Guide to Ideology. Die „Wand aus Fernsehschirmen“ ist ein, beinah altmodisches Sinnbild, für die konsumistischen Zähmungen und Zurichtungen. Das Niederknien vorm Fernseher verweist, über den konkreten Anlass hinaus, auf die Verheerungen durch massenmediale Herrschaftspraktiken (s. stattgehabte Brasilien-WM), genauso wie die autoritär-martialische Vater-Sohn-Beziehung; es bleibt auch sehr ungewiss, ob sie nachher umgekehrt wird. Man hofft es, und befürchtet Defätismus für den Fall, dass nicht …

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Man macht es sich oft zu leicht, indem man didaktischen Gedichten, Sutherlands Gedicht ist so eins, ihre belehrende Absicht vorhält; hier: Dass es in Ordnung sei zu unterliegen, zumindest manchmal. Über diese hemdsärmelig vorgetragene Moral hinaus, werden wir in Kenntnis gesetzt, wie wir außerdem kommunizieren sollten, und über welche Gegenstände wir Kommunikation steuern sollten: Nicht als cleverer PR-Manager in eigener Sache, der auf Biegen und Brechen versucht, ein Alleinstellungsmerkmal herauszuarbeiten und ein Image zu pflegen, sondern als ein Kommunikator, der über einen kulturelle Fundus und erworbene Praktiken und Fertigkeiten (z.B. Medien- und Kommunikationskompetenz) verfügt, die es ihm erlauben, ein möglichst breites Publikum für eine Kommunikation zu begeistern, die angeblich ein Angebots-Nachfrage-Problem hat: Poesie. Poesie ist Kommunikation, also potenziell auch Massenkommunikation. Am anderen Ende ist sie ein bloßes Medium zur Schaffung sozialer Distanz. Kirschkernweitspucken böte sich dafür genauso gut an wie Helme stapeln, Orden sammeln oder zivilgesellschaftliche Debattierwettbewerbe oder etwelche Längenvergleiche (Vgl. https://www.youtube.com/watch?v=Bybm2nh02X4).

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Wenn ich nicht vollständig irre, und Ross Sutherland mit popkulturellen Implikaten (Actionfilme, Fantasyfilme, Science Fiction) bloß kokettieren sollte, dann strebt er eine medienwissenschaftlich beratene Poesie an. Poesie von vergleichbar intermedialer Affinität befördern in der BRD heute u.a. Richard Duraj (http://karawa.net/autoren/richard-duraj), Crauss., Simone Kornappel und Georg Leß, die drei Letztgenannten erteilen in der Metonymie-Anthologie (Verlagshaus J. Frank, 2014) ausführlich und aufschlussreich über ihre einschlägigen Poetiken Auskünfte. Kornappel zum Raum und Visualität des Gedichts, Leß zur Verbindung von Poesie und Horrorfilm., Crauss. zu fotografischem und elegischem Sehen in seinen Gedichten, dies im Gefolge von W.G. Sebalds Roman Austerlitz und seinen eigenen Überlegungen zur Entwicklung von Popkultur in Motoradheld (Ritter Verlag, 2009). Da kommt was zusammen. Hoch die intermediale Internationale!

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