Jean-Claude Van Damme von Ross Sutherland

 

Schon wieder Street Fighter, diesmal aber die Live-Action-Version. In der hat Jean-Claude van Damme mitgespielt. Ich habe den Film nie gesehen, dabei war ich doch eigentlich ein riesiger Fan von JCvD mit… So ungefähr sieben, acht Jahren. Mein Vater brachte mir ab und zu diese Zeitschrift mit, Limit hieß die und berichtete von coolen Typen, die das Limit regelmäßig überschritten. JCvD war einer davon, sein Haupttalent bestand darin, richtig geil schmerzhaft Spagat zu schlagen und dabei hart zu gucken. Ich erinnere mich noch an einer Poster aus der Limit, da trägt er so eine schwarz-weiß gestreifte Ballonhose und ein Unterhemd und guckt so markig, wie ich wohl gerne geguckt hätte; damals, als die Asis aus der Parallelklasse in den Schulhofschlägereien in der ersten und zweiten großen Parallelklasse mich in den Schwitzkasten nahmen. Tja. Bullshit, Wunschdenken.

 

Die Limit wurde irgendwann eingestellt, die Schulhofschlägereien ebenso und mittlerweile finde ich es relativ dumm, sich starke, männliche Identifikationsfiguren zu suchen, denen ich in Gedanken oder tatsächlich nacheifere. Erst recht nicht solche, die Muskeln aus Stahl haben oder geil Spagat schlagen können und dabei hart gucken. JCvD macht das aber immer noch und die Leute fressen die Scheiße noch, klicken es 75.000.000 mal an und nennen es epic. Warum eigentlich? Warum geht es uns dermaßen ab, wenn so ein abgehalfterter Karate-Nulli und Dritte-Wahl-Schauspieler einen geilen Spagat zwischen zwei Trucks schlägt? Wahrscheinlich, weil wir insgeheim immer noch so drauf sind wie ich mit sieben, acht Jahren und all diejenigen bewundern, die sich durchsetzen können, die körperliche und geistige Stärke aufbringen, irgendwas bis zum Schluss durchzuziehen. Ziemlich erbärmlich eigentlich. Nichts anderes, als wenn wir Steroid-Hengsten und Silikon-Stuten auf YouPorn beim Ficken zuzuschauen. Die haben was, die können was, was wir nicht haben und nicht können.

 

limit_oben

 

So wie der Vater, von dem in Jean-Claude van Damme die Rede ist. Der scheißt auf alles und erst recht scheißt er alles ein. Mit Atomsprengköpfen, seiner Entourage von thugs und seinem rotzig-tödlichen Verhalten gegenüber seinen Vorgesetzten. Nur ist Daddy eben kein JCvD und zieht sich tierisch die Leisten beim Versuch, dem nachzueifern. Weil er eben doch nur dasitzt und traurig vor sich hinsabbert, während der Fernseher läuft. Ist schon manchmal okay zu verlieren, versichert ihm der Sohn (es ist ganz bestimmt keine Tochter, mal wieder). Was lernen wir daraus? Fernsehen und Leben, das sind schon zwei verschiedene Sachen. Fantasie und Realität sind selten kongruent. Aha. Hm, na gut. Hatten wir schon, kennen wir. Ich habe ja auch weite Teile der ersten und zweiten großen Pause in diversen Schwitzkästen verbracht, obwohl ich ein JCvD-Poster in meinem Zimmer hängen hatte. Und das mit dem Spagat endete fast in Tränen. Glaubt mir, ich hab’s versucht. Es tat weh.

 

Obwohl es natürlich auch die andere Möglichkeit gibt, diesen Text zu lesen: Dass JCvD hier den Daddy gibt, den geschlagenen General. Als arme Muskelwurst. Als tapferer, tragischer Held. Ross Sutherland und ich, wir sind – obwohl ein paar Jahre zwischen uns liegen – ja vor allem mit dem Fernseher aufgewachsen, nehme ich an. Der hat uns die Welt gezeigt, uns erzogen, und uns wie diese Poster aus der Limit! damals Dinge gezeigt, denen wir gerne nacheifern wollten. Klar, dass wir mitleiden, wenn etwas auf dem Screen passiert. Klar, dass wir den armen JCvD trösten möchten, wenn das mit dem weltweiten Terrornetzwerk in die Hose geht. Wir hätten uns gefreut, wenn wir an seiner Macht hätten teilhaben können. Was wir ja getan hätten als Zuschauer, ganz sicher. So aber bleibt uns ein eigentlich irgendwie tröstlicher Gestus zum Schluss: Ein erhabenes better luck next time, »it’s OK to lose«. Die Altersweisheit der nachfolgenden Generation gegenüber der vorangegangenen. Dem heimlichen Triumph im stillen Fernsehkämmerlein, weitab von den Schwitzkästen dieser Welt. Auch eine Art, den Vater umzubringen.

Von Kristoffer Cornils

3 Kommentare

  • Kristoffer Cornils on Ross Sutherland’s poetry | ¿comment! - Lesen ist schreiben ist lesen

    […] With my essay on Jean-Claude van Damme, I took another chance to dive into my childhood memories. JCvD used to adorn the cover of a magazine I used to read when I was aged seven or eight. Limit was aimed at young boys like me, offering a glimpse in the world of people who, on the screen at least, were the heroes of our world(s). One of the pillars of pop culture as a whole is its inherent promise of being able to identify with heroes like that. Back in the days, I was just like JCvD: Made from steel, yet flexible and agile. Sassy and cool as fuck. That, of course, hadn’t much to do with my »reality« (if you haven’t realised it before: the discussion of real vs. virtual is a reoccuring theme of Ross’s poetry). Thus, I took the chance to interpret the poem with a psychoanalytic approach. Rule number one of the psychoanalysis club besides talking very carefully about the psychoanalysis club: If there’s a father, you want to kill him. Either literally or figuratively. The last few lines of the poem – Ross sure likes to deliver his punchlines and twists at the very end of a text – show the father, a figure of identification just like JCvD was like to me in my childhood, as a defeated and powerless person. By consoling him, the son (I doubt it is a daughter we are dealing with here) triumphs over his hero. […]

  • Kristoffer Cornils on Ross Sutherland’s poetry | ¿comment! - Lesen ist schreiben ist lesen

    […] With my essay on Jean-Claude van Damme, I took another chance to dive into my childhood memories. JCvD used to adorn the cover of a magazine I used to read when I was aged seven or eight. Limit was aimed at young boys like me, offering a glimpse in the world of people who, on the screen at least, were the heroes of our world(s). One of the pillars of pop culture as a whole is its inherent promise of being able to identify with heroes like that. Back in the days, I was just like JCvD: Made from steel, yet flexible and agile. Sassy and cool as fuck. That, of course, hadn’t much to do with my »reality« (if you haven’t realised it before: the discussion of real vs. virtual is a reoccuring theme of Ross’s poetry). Thus, I took the chance to interpret the poem with a psychoanalytic approach. Rule number one of the psychoanalysis club besides talking very carefully about the psychoanalysis club: If there’s a father, you want to kill him. Either literally or figuratively. The last few lines of the poem – Ross sure likes to deliver his punchlines and twists at the very end of a text – show the father, a figure of identification just like JCvD was like to me in my childhood, as a defeated and powerless person. By consoling him, the son (I doubt it is a daughter we are dealing with here) triumphs over his hero. […]

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