15. September 2014
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Viele Kommentare zu Nexus kreisen um die Frage: wie kann man nur Menschen töten und sich dann auch noch auf die Leichen legen, um dort seelenruhig einzuschlafen?
Klar, der Mann muss verrückt sein.
Nexus empfindet das nicht als abstoßend, im Gegenteil: er empfindet Geborgenheit, Zärtlichkeit für “seine” Leichen (“mes cadavres”): “Lorsque je me suis redressé, ma joue a frôlé la poitrine de la femme qui s’appelle Ania. (…) J’aurais aimé reposer comme mes morts, m’allonger de nouveau, placer délicatement ma tête entre ses seins.”
Ich persönlich hatte spontan verschiedene Assoziationen zu diesem Text.
Eine davon war der Fall des Serienmörders Frank Gust, der vor rund 15 Jahren durch die Medien ging und mich damals sehr schockiert hat.
Ich gebe zu, nicht nur abgestoßen gewesen zu sein von der Perversion, Brutalität und Kaltblütigkeit, mit der Gust seine Opfer misshandelt und dann umgebracht hat, sondern auch Mitleid für ihn empfunden zu haben.
Er hat selber dafür plädiert, nie mehr freigelassen zu werden, da er wusste, er würde es wieder und wieder tun. Er hatte keine andere Wahl.
Als 9-Jähriger erschlug er sein Meerschweinchen, mit 13 drang er in Leichenhallen ein, mit 24 tötete er zum ersten Mal ein Pferd.
Als Frank Gust im Jahr 2000 der Prozess gemacht wurde, hatte er schließlich vier Frauen ermordet und ausgeweidet.
Dieser Mann träumte nicht davon, sich auf die Leichen zu legen – er wollte sie öffnen, in ihre Körper eintauchen und dort möglichst lange bleiben.
Die Psychiatrie bezeichnet solche Menschen als Psychopathen. Psychopathen sind egozentrisch, aggressiv, arrogant, kalt. Sie verstehen, was jemand denkt, aber es bleibt abstrakt: Sie haben keine Vorstellung davon, was der andere fühlt. Deshalb können sie mit Begriffen wie Scham, Schuld oder Reue nichts anfangen.
Wie Nexus tötete auch Gust ohne Mitgefühl.
Hirnforscher nehmen an, dass Mörder wie sie zu Mitleid gar nicht in der Lage sind.
Es gab Versuche, in denen Psychopathen schöne und grausame Bilder gezeigt wurden, während sie Aufgaben lösen mussten; dabei wurden die Durchblutungsveränderungen im Gehirn aufgezeichnet. Wie verarbeiten Psychopathen Emotionen? Was passiert in ihrem Gehirn?
Man hat dabei entdeckt, dass es bei Psychopathen eine Minderaktivierung im Bereich des Schläfenlappens gibt:
Sie reagieren nicht auf grausame Bilder, sie erkennen etwas, aber es löst bei ihnen nichts aus.
Ihr Gehirn arbeitet wie eine Fabrik, bei der Vorstand und Marketingabteilung nicht miteinander reden.
Wenn Hirnforscher recht haben mit ihrer Vermutung, dass hirnorganische Störungen Ursache für solche Verbrechen sind, dann kann man davon ausgehen, dass die Täter sich auch durch hohe Strafen nicht abschrecken lassen.
Ihr Verhalten scheint programmiert, das Böse eine Art Fehlfunktion zu sein.
Wenn das alles stimmt, wäre der freie Wille nicht mehr als eine Illusion.
Quelle: DER SPIEGEL 34/2005
Karen Suender: Das Böse als genetische Fehlfunktion?
Viele Kommentare zu Nexus kreisen um die Frage: wie kann man nur Menschen töten und sich dann auch noch auf die Leichen legen, um dort seelenruhig einzuschlafen?
Klar, der Mann muss verrückt sein.
Nexus empfindet das nicht als abstoßend, im Gegenteil: er empfindet Geborgenheit, Zärtlichkeit für “seine” Leichen (“mes cadavres”): “Lorsque je me suis redressé, ma joue a frôlé la poitrine de la femme qui s’appelle Ania. (…) J’aurais aimé reposer comme mes morts, m’allonger de nouveau, placer délicatement ma tête entre ses seins.”
Ich persönlich hatte spontan verschiedene Assoziationen zu diesem Text.
Eine davon war der Fall des Serienmörders Frank Gust, der vor rund 15 Jahren durch die Medien ging und mich damals sehr schockiert hat.
Ich gebe zu, nicht nur abgestoßen gewesen zu sein von der Perversion, Brutalität und Kaltblütigkeit, mit der Gust seine Opfer misshandelt und dann umgebracht hat, sondern auch Mitleid für ihn empfunden zu haben.
Er hat selber dafür plädiert, nie mehr freigelassen zu werden, da er wusste, er würde es wieder und wieder tun. Er hatte keine andere Wahl.
Als 9-Jähriger erschlug er sein Meerschweinchen, mit 13 drang er in Leichenhallen ein, mit 24 tötete er zum ersten Mal ein Pferd.
Als Frank Gust im Jahr 2000 der Prozess gemacht wurde, hatte er schließlich vier Frauen ermordet und ausgeweidet.
Dieser Mann träumte nicht davon, sich auf die Leichen zu legen – er wollte sie öffnen, in ihre Körper eintauchen und dort möglichst lange bleiben.
Die Psychiatrie bezeichnet solche Menschen als Psychopathen. Psychopathen sind egozentrisch, aggressiv, arrogant, kalt. Sie verstehen, was jemand denkt, aber es bleibt abstrakt: Sie haben keine Vorstellung davon, was der andere fühlt. Deshalb können sie mit Begriffen wie Scham, Schuld oder Reue nichts anfangen.
Wie Nexus tötete auch Gust ohne Mitgefühl.
Hirnforscher nehmen an, dass Mörder wie sie zu Mitleid gar nicht in der Lage sind.
Es gab Versuche, in denen Psychopathen schöne und grausame Bilder gezeigt wurden, während sie Aufgaben lösen mussten; dabei wurden die Durchblutungsveränderungen im Gehirn aufgezeichnet. Wie verarbeiten Psychopathen Emotionen? Was passiert in ihrem Gehirn?
Man hat dabei entdeckt, dass es bei Psychopathen eine Minderaktivierung im Bereich des Schläfenlappens gibt:
Sie reagieren nicht auf grausame Bilder, sie erkennen etwas, aber es löst bei ihnen nichts aus.
Ihr Gehirn arbeitet wie eine Fabrik, bei der Vorstand und Marketingabteilung nicht miteinander reden.
Wenn Hirnforscher recht haben mit ihrer Vermutung, dass hirnorganische Störungen Ursache für solche Verbrechen sind, dann kann man davon ausgehen, dass die Täter sich auch durch hohe Strafen nicht abschrecken lassen.
Ihr Verhalten scheint programmiert, das Böse eine Art Fehlfunktion zu sein.
Wenn das alles stimmt, wäre der freie Wille nicht mehr als eine Illusion.
Quelle: DER SPIEGEL 34/2005