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Donnerstag, 27. November 2014, 19 Uhr, Eintritt frei
¿Comment! – Performance mit Christian Prigent,
kuratiert von Aurélie Maurin und Christian Filips
Gedichte des französischen Autors und Kommentare seiner Leser, darunter Rike Bolte, Karen Suender und Denis Abrahams sowie Schüler des Tiergarten Gymnasiums und des Paulsen Gymnasiums
Zweisprachige Lesung (deutsch/französisch)
Die Lettrétage dankt den Förderern und Partnern!
Lettrétage, Mehringdamm 61, Nähe U7/U6 Mehringdamm
Christian Prigent wurde 1945 in Saint-Brieuc in der Bretagne geboren. Nach Aufenthalten in Rom (1978 – 1980) und Berlin (1985 – 1991) lebt er seit 2007 in Saint-Brieuc in der Bretagne. Er gründet Anfang der 70er Jahre die Zeitschrift „TXT“ und arbeitet außerdem mit zahlreichen weiteren Zeitschriften in Frankreich und im Ausland zusammen und veröffentlicht, vor allem bei P.O.L., Gedichtsammlungen und literaturwissenschaftliche Arbeiten. Streitbar, provozierend, ironisch spielt er mit verschiedenen Formen in seinem Kampf gegen das „Falsche Sprechen“.
Aurélie Maurin wurde 1975 in Paris geboren und studierte Literaturwissenschaft und Linguistik in Paris. Magister über die Rezeption des Unheimlichen und E.T.A Hoffmans in Frankreich. Sie lebt seit 2000 als freie Veranstaltungskuratorin für verschiedene Institutionen und Autoreninitiativen in Berlin. Zurzeit übersetzt sie Gedichte von Dagmara Kraus, Rolf Dieter Brinkmann, Thomas Brasch, Bert Papenfuß und Steffen Popp.
Christian Filips wuchs in Osthofen bei Worms auf- Nach dem Besuch einer Europäischen Schule in Belgien studierte er von 2000 bis 2003 Philosophie und Germanistik an der Universität Wien und arbeitete zeitweise als Tanztheater-Dramaturg am Staatstheater Darmstadt. Für seinen ersten Gedichtband „Schluck auf Stein“ erhielt er 2001 den Rimbaud-Preis des Österreichischen Rundfunks. Heute lebt er als freier Autor, Regisseur und Musikdramaturg in Berlin. 2010 erschien der erste Band seines Fortsetzungsprojekts „Heiße Fusionen“.
Kuratorisches Statement:
Das ausgestopfte Zwergkänguru über der Unterhose, das nichts bedeutete, als es gestern auf der Fensterbank des Hotelzimmers erschien: es begann etwas zu bedeuten, später, auf ganz anderem Gebiet. Das ins Gedicht Verdrängte kehrt aus der Zukunft des Lesers zurück. Ein kursorisches Statement zu Christian Prigent? Der Zugang zum Bescheidwissen über das Zwergkänguru müsste mit einem Verlust des Genießens bezahlt werden. Das Genießen aber ist in seiner Blödsinnigkeit nur aufgrund eines Nicht-Wissens möglich. Ihr wollt unser Genießen rändern? No! No! No! Das Zwergkänguru über der Unterhose scheint ein Symptom. Es sei, indem es davonspringt, die Stütze eines jeglichen blöden (das ist: unwissenden) Daseins!
Zur Performance
am abend des 27. novembers haben Sie in der lettretage etwas zu erwarten, das eine abwesenheit
markiert. die frage nämlich an die schüler war: wo bitte ist die stelle der seele? hier eine mögliche
antwort: “stellen Sie sich vor: 450 seiten
mit allen sinnen (wörtlich sinnen-all)
im ansatz
zebraflosse
profundes pullern in massen
einzelzellern vermehrt
fragen: sagen Sie mir
comment
comment weiß eine einzelzelle wie
von muskeln knochen haut des
zebras zweimal
kopf-an-schwanz
comment das ist das wahre ziel
aller zwischen zweien aus
comment der bahn
gewagter
wagendreh comment Sie
säuren komma wo Sie lutschi
setzen Sie komafuß hin
raff!
raff! (es hüstelt)
raff!
der fabrizierte herz vers
stossende generationen ach ja
das wäre also
meine seele nicht
dieses blasse nomadische blatt
monade
ermattet wozu
sau ich ja?“ seele!
seele! alles klar?
Gedichte von Christian Prigent
Kommentare zu Christian Prigents Gedichten
Video: Christian Prigent le travail de la langue
von Katharina Deloglu
Dienstag, 25. November 2014, 19:00 Uhr, Eintritt frei
¿Comment! – Performance mit Fiston Mwanza Mujila,
kuratiert von Jörg Albrecht
Prosa und Lyrik des kongolesischen Autors und Kommentare seiner Leser, darunter Gernot Krämer und Schüler des Friedrich-Engels Gymnasiums, des Hildegard-Wegschneider Gymnasiums und des Eckener Gymnasiums
Zweisprachige Lesung (deutsch/französisch)
Die Lettrétage dankt den Förderern und Partnern!
Lettrétage, Mehringdamm 61, Nähe U7/U6 Mehringdamm
Fiston Mwanza Mujila, 1981 in Lubumbashi (Demokratische Republik Kongo) geboren, studierte Literatur und Humanwissenschaften. Derzeit promoviert er über afrikanische Literatur an der Grazer Romanistik. Fiston Mwanza Mujila schreibt Gedichte und Kurzgeschichten, seit kurzem auch für das Theater; seit einigen Jahren nimmt er an vielen literarischen Veranstaltungen im Kongo und im (europäischen) Ausland teil.
Veröffentlicht wurden seine Gedichte und Texte in Frankreich, Belgien, Deutschland, Österreich, Rumänien, und der Ukraine.
Jörg Albrecht wurde 1981 in Bonn geboren und wuchs in Dortmund auf, heute lebt er in Berlin. Er studierte von 2001 bis 2006 Komparatistik, Germanistik und Geschichte in Bochum und Wien. Albrecht schreibt Prosa/Romane, Theatertexte, Hörspiele und Essays; seine Foto- und Videoarbeiten und Performances beschäftigen sich als intermediale Serien mit Machtkonstellationen.
Seine literarischen Arbeiten zu Themen wie Überwachung, Prekarisierung und Queerness wurden als Rückkehr des Diskursiven und Politischen in die Literatur der jüngeren deutschen Generation gewertet.
Kuratorisches Statement:
Ich lernte Fiston Mwanza Mujila an einem Septemberabend des Jahres 2010 in Graz kennen, als er mir, wie es Brauch ist, das Zepter des Grazer Stadtschreibers übergab, dessen Amt er in den zuvorliegenden zwölf Monaten innegehabt hatte, und das er mir nun weiterreichte, und zwar mit der Bemerkung, seine Großmutter daheim, in der Demokratischen Republik Kongo, hätte ihm am Telefon gesagt, daß es sich für so ein Ereignis gehöre, ein großes Geschenk zu machen, sogar ein bestimmtes, ja, es könne bei diesem Anlaß eigentlich nur eines sein: eine Ziege. Obwohl die in den Rosengarten oben auf dem Grazer Schloßberg, wo der Stadtschreiber seine Wohnung hat, perfekt gepaßt hätte, schenkte Fiston mir lieber eine kleine, aus Holz geschnitzte Ziege, die oben auf dem Berg ins Regal paßte, neben die paar Bücher, die ich für das Jahr mitgebracht hatte, das ich nun dort verbringen würde.
Und dann, an ebenjenem Abend, hörte ich Fiston zum ersten Mal singen. Ja. Denn er liest nicht einfach. Er singt und schreit, rappt und wütet, er spielt seine Texte, als wären sie eine Partitur, oder vielleicht stimmt das nicht, vielmehr stellt er sich hin und läßt sich spielen, als wäre er selbst diese groß angelegte Symphonie, in der die Instrumente die Steine auf der Straße sind, der Staub, das Wellblech, die weggeschnippte Kippe, der Speichel, das Klatschen einer Ohrfeige, das Knistern der Haare eines Schnurrbarts, drei Jeeps, die durch Schlaglöcher fahren, drei Kinderstimmen, die sich streiten, drei Kofferradios, aus denen ein Jazz-Stück dringt, aber nicht ganz durchdringt – eine Symphonie, die immer wieder anders gespielt werden muß, bis sie am Ende ist, und das Ende ist der Anfang, und „au commencement était la pierre et la pierre provoqua la possession et la possession la ruée“.
Fiston Mwanza Mujila schreibt über das Ohr, für das Ohr. Er wollte Saxophonist werden, doch nirgendwo in seiner Heimat hätte er das lernen können, also blieben ihm die Worte. Er schreibt Gedichte. Er schreibt Prosatexte, unter anderem den Roman Tram 83. Und er schreibt auch Texte für die Bühne, in denen zum Beispiel Marxismus und Religion aufeinanderclashen und auf die treffen, die ihnen zum Opfer fielen, und die aus dem Jenseits ihre Kämpfe weiterkämpfen.
Überhaupt ist die Welt, die Fiston beschreibt, eine gewaltvolle. Die Gewalt steckt dabei in der Sprache, mit der die Dinge beschrieben werden, in der Brutalität verschiedener Stimmen, die drohen und fluchen und wüten und einander durchkreuzen und anheizen. Es ist immer auch eine kolonialisierte Welt, die sich nicht ändern wird, allein, weil es die Körper sind, die versklavt wurden und werden, und weil am Anfang von allem immer die Verteilung von Besitz steht, und der Besitz löst einen Ansturm aus auf die Teile der Welt, die besitzen.
Was hoffen läßt, ist der Moment, in dem der Ansturm am stärksten ist, und in dem Fistons Sprache in etwas durchbricht, das jenseits dieser brutalen Einzelkämpfe liegt. Dann auf einmal ist da etwas jenseits der Tragödie, die uns teilt. Eine Zärtlichkeit, die uns die Tragödie teilen läßt. Und das dort, wo Sprache und Körper auseinanderfallen und so endlich wieder miteinander sind.
Zur Performance
Sagen wir Au revoir zu den Räumen und den Zeiten, an denen wir hängen. Hier im Hinterhof eröffnen wir ein Hinterland, hin- und hergerissen, kreuz und quer veteilt, aber nicht mehr im Hintertreffen der globalen Kräfte. – Bouchez-vous les oreilles! – Macht ruhig. Wird euch nix nützen.
Texte (frz./dt.) von Fiston Mwanza Mujila
Kommentare zu den Texten Fiston Mwanza Mujilas
von Katharina Deloglu
Lesung Fiston Mwanza Mujila: Monologue d`un damnè
Dienstag, 18. November 2014, 19:00 Uhr, Eintritt frei
¿Comment! – Lesung & Installation mit Ross Sutherland und Konstantin Ames, Catherine Hales und Simone Kornappel
Gedichte des schottischen Lyrikers und Kommentare seiner Leser, darunter Stefan Mesch, Kristoffer Cornils, Konstantin Ames sowie von Schülern der John F. Kennedy School, des Hildegard-Wegschneider Gymnasiums und des Paulsen Gymnasiums
Zweisprachige Lesung (deutsch/englisch)
Die Lettétage dankt allen Förderern und Partnern!
Lettrétage, Mehringdamm 61, Nähe U7/U6 Mehringdamm
Ross Sutherland wurde 1979 in Edinburgh geboren und arbeitet als Autor und Performer, Filmemacher und Dozent in Creative Writing. Er kombiniert live seine literarischen Texte mit Stand-Up-Elementen und Visuellem.
Sutherland veröffentlichte vier Gedichtbände, alle beim Londoner Independent Verlag Penned in the Margins:
„Things To Do Before You Leave Town“ (2009), „Twelve Nudes“ (2010), „Hyakuretsu Kyaku“ (2011) und „Emergency Window“ (2012).
Kuratorin Simone Kornappel, 1978 in Bonn geboren, ist Mitherausgeberin der „Randnummer Literaturhefte“. Ihr Debütband „raumanzug“ ist derzeit in Arbeit und erscheint demnächst bei Luxbooks, Wiesbaden.
Kuratorisches Statement:
Jemand berichtet, ist aufmerksam. Ein Ich, das die anfallenden Unfallstellen genau untersucht, kommentiert. Dazu ein Hin und Her hinter den Kulissen. Absagen an. Einladungen zu. „preparation(s) for some crash yet to come”.
Zur Performance
hall of [variation von sachverhalt und falschen pfründen, vom bäumen der allee, e e e, durchgängig
zitierbar] wem?
In ihrer Inszenierung hebt Simone Kornappel darauf ab, die Verschränkung von literarischem Text (Schreiben) und Leserkommentaren (Lesen) widerzuspiegeln sowie die Mechanismen der digitalen in die analoge Welt zu übertragen. Die Texte werden wie Räume durchschritten, der Raum wie ein Text gelesen. Kornappel arbeitet daher in der Lettrétage mit verschiedenen Medien und Raumelementen wie einer live durchgeführten Twitter-Session, Audioaufnahmen von beteiligten Schülern und mit Kommentaren bedruckten Post-it‘s und Papierknäueln.
Gedichte von Ross Sutherland (e/dt)
Kommentare zu den Gedichten Ross Sutherlands
von Katharina Deloglu
Video zum Gedicht My shoes are in love
https://www.youtube.com/watch?v=D3-YsZml6g4
Die Grundidee des Literaturprojekts „Comment“ ist ungewöhnlich und zugleich herausfordernd: Zwölf Berliner Schülergruppen und zehn professionelle Leserinnen und Leser – darunter Verleger, Kritiker, Schauspieler – kommentieren Texte von englisch- und französischsprachigen Autorinnen und Autoren auf dem Projekt-Blog der Lettrétage. Durch Texte, Bilder, Audios und Videos machen sie ihre individuelle Lesart kenntlich. Die plausible Schlussfolgerung: Literatur beginnt erst zu wirken, wenn die Rezipienten sie sich persönlich aneignen. Dabei sind die Arten und Weisen einen Text zu verstehen so verschieden wie die Leserinnen und Leser selbst. Jeder und jede liest mit seinem und ihrem persönlichem Hintergrund an Gedanken und Erfahrungen – in jedem Kopf entstehen sozusagen verschiedene „Links“.
Es ist aber bei aller Virtualität schön, dass „Comment“ als Pilotprojekt einer überwiegend digitalen Literaturvermittlung im November in mehreren intermedialen Abendperformances auch die „analoge Welt“ betritt: die literarischen Texte und ihre Kommentare werden öffentlich aufgeführt, inszeniert von Berliner Autoren.
Ich wünsche mir, dass mit „Comment“ sicht- und hörbar gemacht wird, welche Faszination und Strahlkraft von Literatur ausgehen kann – fernab des gesicherten Literatur-Kanons und der gängigen Formate von Literaturveranstaltungen. Damit bleibt die Lettrétage ihrem Vorsatz treu, neue Wege der Literaturvermittlung zu erkunden und dabei das vertraute Territorium zu verlassen.
Dankenswerterweise hat der Hauptstadtkulturfonds die Finanzierung übernommen; die Französische Botschaft sowie der British Council beteiligen sich ebenfalls, mit ZAPF Umzüge hat sich sogar ein Sponsor aus der freien Wirtschaft gefunden.
Ich wünsche Ihnen und dem Projekt ein lautes, weitschallendes Echo und großen Erfolg.
Tim Renner
und irgendwann ist mir passiert, was mir meistens passiert, wie man vielleicht bemerken kann, ich schweife ab so dann und wann, und denke über etwas ganz anderes nach. über mein eigenes lesen zum beispiel. ich lese parasitär. weil ich immer schon mitschreibe, aus angst, dass ich nicht mehr kommuniziere, glaube ich. ich sehe ob ich mich einklinken kann in eine sprache, eine sicht, eine welt, einen ort, vor allem wahrscheinlich in die sprache, und wenn, dann beute ich diese sprache aus, gnadenlos, ich glaube aus einer ikonoklastischen überzeugung heraus, um mich vor dieser sprache irgendwie zu schützen, um sie zu entwerten auch, das ist ein recht gewaltvoller vorgang stelle ich gerade fest.
ikonoklasmus der sprache – kein auslöschen, verbrennen, durchstreichen eher eine imitation einer sprache. sie von ihrem hohen ton herabreißen. sie dadurch verspotten. sie noch viel lauter sprechen lassen.
Au moindre saxophone, le grand déguisement.
ich fange an in dieser sprache zu denken und in dieser sprache dann auch eine weile zu schreiben, es ist wie ein rhythmus, der sich über alles drüberlegt, wie ein lieblingsalbum, das man ein jahr lang rauf und runter und dann gehts plötzlich nicht mehr und man weiß gar nicht, ich weiß gar nicht, warum, bis ich etwas anderes zu lesen bekomme und dann die sprache wechsle, andere klangfarben schätze, bis ich sie nicht mehr aushalte, und weil ich recht viel gleichzeitig lese meistens und sachen auch oft nicht zu ende, wodurch ich dann nie wirklich verstehe, worauf eine sprache hinausläuft, vermischen sich die sprachen oft recht wirr und ich versuche dann eher zu vermitteln zwischen ihnen, zwischen den verschiedenen kontinenten dieser unzähligen sprachen. und überlege mir dann immer, wer da jetzt eigentlich genau, also welcher ton, welches instrument, welche geschichte, welche färbung, welcher hintergrund, welche melodie und wie man das mit dem übrigen ensemble zusammenpacken kann.
ich lese tram 83 mittlerweile auf französisch
wie ein beatnik gedicht
«Tes cuisses, la prestance
d’une bouteille
de vodka …» avant de disparaître
dans la masse,
visqueuse,
glauque,
gluante,
lugubre…
…
Il fallait
une
consigne. Indiquer
un
lieu où ils pourraient causer à tête reposée.
La jeune femme insistant,
il soupira,
se mordit les
lèvres et balbutia:
«Rendez-vous au Tram 83».
unter uns: ich kann kaum französisch. trotzdem lese ich das französische original und versuche zu entziffern, was da gesagt wird.
ich lese einfach drüber weg, viel zu schnell und verstehe ein paar einzelne bruchstücke und und tue dann so als bräuchte ich nicht mehr:
La même légende, comme xx xxxx ne xxxxxxxx pas, prétendait que la construction xx xxxxxx xx xxx avait fait de xxxxxxx morts xxxxxxx aux maladies tropicales, aux xxxxxx techniques, aux xxxxxxxx conditions de travail xxxxxxx par l’administration coloniale, bref, on connaît le scénario.
manchmal verstehe ich alles, ohne zu wissen was da steht:
beim lesen bin ich mir sicher, wir befinden uns in den fünfziger/sechziger jahren, kurz vor dem vermeintlichen ende des kolonialistischen zeitalters. schon nach dem ersten absatz bin ich mir sicher, ich bin nicht unter seemännern aber irgendwie in küstennähe, bei jean genet, ich bin kurz vor dem wechel zur postkolonialisierung, als die öffentliche haltung endlich umschlug und ein bewusstsein der ungerechtigkeit einsetzte. ich bin bei einer erschöpften, missbrauchten, ausgebeuteten natur, die nichts mehr hergibt und immer noch beackert wird. linien laufen ineinander zwischen beat poesie, ausbeutung, klimawandel und kolonialisierung und mir gefällt die darstellung von frauen nicht, das wollte ich gesagt haben, aber ich denke mir, das muss so sein, du hast sicher wieder etwas übersehen, da, schau einmal genau hin, du schaust in diese welt hinein nur durch einen menschen, der selbst überfordert ist, von zeit, raum und ort und seine überforderung versuchst du wieder runterzubrechen auf deine fiktion einer geregelten wahrnehmung, die du immer nur abends, zur post-bürgerlichen stunde im blauen flimmern am rechner zustandebringst, also irgendwie, glaube ich, dass ich mich wieder geirrt habe, wie ich immer vermute, beim lesen, dass ich mich irgendwo geirrt habe, irgendetwas überlesen habe, ich habe wieder nicht aufgepasst und irgendwas vergessen, wieder nicht genau genug gelesen, das wurde mir immer schon erklärt, dass ich recht schlampig lese, hieß es immer, ich lese schlampig, ich wusste nie so genau was das heißt, als kind hatte ich dann immer das gefühl, oder dann später auch immer noch als jugendlicher, wenn sich immer alles ändert, ständig ändert sich die zeit, auf jeden fall hatte ich immer das gefühl, dass ich schmutzig sei, weil ich schlampig lese, dass meine hände schlampig umblättern, ich habe irgendwie versucht zu verstehen, was schlampig lesen heißen kann, irgendwer wird mir gleich sagen, dass ich etwas übersehen habe, aber da steht doch, oder hier heißt es doch, und ich werde dann nachgegeben haben und werde die verknüpfung trotzdem gemacht haben.
ständig ändert sich der ort
eine klippe, die tram 83 ist nicht größer als ein tramwagen der wiener linien, aber darin spielen eine große jazz band, es tanzen mindestens hundert menschen, die bar alleine sprengt schon den tramwagen, es ist außerdem ein diner, aber ein fake, einer, der in frankreich steht, der an einer nebligen klippe mitten in zentralafrika steht, kein meer weit und breit aber eine klippe und viel nebel und ein wald und sonst ist da eigentlich nicht viel. es ist dunkel und ich bin mir sicher, dass ich wieder irgendwas vergessen habe, dass ich wieder irgendwas übersehen habe, ich gehe noch einmal zurück, nous marchions dans les ténèbres de l’histoire, sicher habe ich wieder irgendwas übersehen, irgendeinen hinweis, les jazzmen se retirèrent sur un morceau de Gillespie, A Night in Tunisia, irgendwo, ich gehe über die bar nochmal, höre nochmal genau hin, lasse mir noch einmal alles erzählen, ici, le Nouveau-Mexique, chacun pour soi, la merde pour tous, ich mache die tür der tram 83 auf und zu, quietscht sie? ist es eine einflügelige tür, zu einem wohnwagen, sieht jetzt von hier aus alles aus wie in einem david lynch film, blue velvet, hat die tür ein bulls eye? ist es eine metallene tür? ich sehe immer ein bulls eye, wenn ich tram 83 sage, dann nocheinmal das verbotsschild, nocheinmal die gespräche, die prostituierten im rentenalter, die pfingstkirchenpfarrer, die nachtklubärzte, die liebhaber von pornofilmen, un couple authentique, postcolonial, s’assit à côté d’eux, nocheinmal die hühnerhofphiliosophen, die organhändler, die soldaten-witwen, die siamesischen zwillinge schaue ich mir zweimal an, die wegelagerer, die aufständischen dissidenten, die altwarenhändler, die erzschürfer, die druiden oder schamanen, noch einmal die soldaten ohne gelegenheit zu vergewaltigen, noch einmal die gewohnheitstrinker und die minenarbeiter, die milizionäre und die marabus, noch einmal lasse ich sie zu wort kommen, weil ich mich verlaufen habe, ich dachte wir seien ganz woanders, in einer ganz anderen zeit, Monsieur est Belge?
© thomas köck
von Katharina Deloglu
DI, 18.11., 19 Uhr | Lettrétage
Ross Sutherland & Simone Kornappel
DO, 20.11., 19 Uhr | Lettrétage
Vincent Message & Gerhild Steinbuch
DI, 25.11., 19 Uhr | Lettrétage
Fiston Mwanza Mujila & Jörg Albrecht
DO, 27.11., 19 Uhr | Lettrétage
Christian Prigent & Christian Filips & Aurélie Maurin
Lageplan Lettrétage: hier.
von Katharina Deloglu
guck Film HIER
Wie komm’ ich da hin?
in der analogen Welt: Mehringdamm 61,
1. Hinterhof,
während des Lettrétage-Lesungsprogramms…
Die alte Schreibmaschine und ein Blatt Papier warten auf Euch!
von Katharina Deloglu
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James Noel liest Prigent