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In meinem Live-Blog Eintrag III fragte ich mich: „(…) warum Fiston nicht im gleichen Raum steht und liest“. Hielt also ganz spontan am traditionellen Aspekt einer Performance (der räumlichen, zeitlichen und physischen Anwesenheit des Künstlers) fest.

 

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Nun war ja das Raumkonzept etwas alternativer (Kuration: Jörg Albrecht). Im Hinterzimmer wurde Fistons Performance per Kamera aufgezeichnet und in Echtzeit auf die vom Beamer bestrahlte Wand übertragen. Diese Aufnahmen wechselten sich ab mit eingeblendeten Kommentaren, Musik, Videos von Skateboard-fahrenden Menschen, Feuerwerken u. a. Ein bisschen wie ein DJ-Mischpult. Es entstand eine sehr gelungene, interessante Klangcollage, bestehend aus den Original-Texten, den Übersetzungen, den Kommentaren und Eindrücken der Schüler_innen und Profi-Leser_innen.

 

„Sagen wir Au revoir zu den Räumen und den Zeiten, an denen wir hängen.“, war die Aufforderung. Ist mir irgendwie nicht so leicht gefallen.

Besonders auch, weil ich wusste, dass im Hinterzimmer etwas passiert, dies aber an keiner Geräuschdissonanz feststellen konnte (manchmal sind Aufzeichnungen ja versetzt… oder ich saß wirklich zu weit hinten im Raum?).

 

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Welchen Reiz hat eine Echtzeit Videoübertragung eigentlich? Oder anders gesagt – die Übertragung von Performance? Ist ja nun, vor allem im Theater, nichts Neues (da sagt man eher: „Schon wieder n’ Live-Video!“).

Aber wir waren bei einer Lesungs-Performance. In diesem Kontext ist das Konzept echt spannend, besonders in Bezug auf die zusätzliche räumliche Dimension, die mein Denken als Zuschauer anregt – und fordert. Vielleicht ist es ein Spiel mit unseren Blicken und Ohren. Mit Perspektiven. Bei einem Video sehe und höre ich anders hin, die aufgezeichnete Lesung fließt (Ton) automatischer mit den anderen Video-Elementen (Bild, Schrift und Musik) zusammen. Interessant ist auch, dass Fistons’ starke, lyrische Prosa an sich schon einen Fluss bildet.

 

Trotzdem war es kein Kino-Abend. Gerade gut.

von Corinna Bodisco

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20:17: Schüler: “Nous trouvons très cool que vous nous répondez!” Fiston: “C’est normal” Fiston hätte eigentlich für seine häufigen Antworten bei Comment?! einen Preis gewinnen müssen. 🙂 Auf jede/n Schüler/in ist er eingegangen.

 

20:21: Vulkanausbruch im Video. Und im Gang, der zum Nebenzimmer führt, blitzen Lichter. Ah! Fiston war im Nebenraum. Und hat alles live aufgenommen.

“Sagen wir Au revoir zu den Räumen und den Zeiten, an denen wir hängen. Hier im Hinterhof eröffnen wir ein Hinterland, hin- und hergerissen, kreuz und quer veteilt, aber nicht mehr im Hintertreffen der globalen Kräfte. – Bouchez-vous les oreilles! – Macht ruhig. Wird euch nix nützen.”

 

20:23: Er bekommt viel Applaus. Witzig, dass sich rd schon letzten Donnerstag gefragt hat, was im Nebenraum passiert. Diesmal ist dort ganz viel geschehen.

 

20:26: Fragerunde. Fiston antwortet auf Deutsch. Aber nicht auf die erste Frage. Er freut sich auf jeden Fall, hier mitgemacht zu haben.

“Kotzen ist sehr musikalisch”

von Corinna Bodisco

 

Foto: gezett.de

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19:52: Das TRAM 83 wird mit der Grotte von Lascaux verglichen. Warum? Ich frage mich, warum Fiston nicht im gleichen Raum steht und liest. Ich würde seine Stimme gerne live hören. Wo ist er eigentlich? Wo wurde das Video aufgenommen?

 

19:54: Fistons Sprache ist sehr sinnlich. Er beschreibt Gerüche (canne à sucre…), zählt (in einem endlosen Fluss) auf, wiederholt (“Vous-avez l’heure?”), baut Geräusche ein. Ein Musikstück. Gerade auf Französisch gefällt mir dieses Musikstück. Frage mich aber wieder, wie es auf die nicht Französisch-verstehenden Zuschauer wirkt. (Nachträgliche Anm.: Die Übersetzung gab’s natürlich für die Zuschauer. Sogar gefaltet!)

 

19:58: Ein Video wird eingeblended. Was ist das? Ich denke, eine Schaupielerin erkannt zu haben…. Das Ganze findet in einem Stadion statt. Jetzt Freeze. Ein Kommentar wird gelesen und in blauen großen Lettern auf die Wand geworfen.

 

20:00: (Diskussion mit einer Schülerin?) “Mutter-Mädchen. Besser als Mädchen-Mütter. Denn es sind ja Mädchen.” Wow. Kompliziert.

 

20:03: Ach ja. Alle Kommentare werden mit einer beschriebenen, gelben Karteikarte eingeleitet. Name. Datum. Jetzt Thomas Köck. Ich finde den Beitrag klasse. Es geht nämlich um das Fremdsprachenverständnis. Er versteht nicht alle Wörter, findet das aber nicht schlimm. Und manchmal alles, ohne explizit die Wörter zu verstehen. Und ihm gefällt die Darstellung von Frauen in Fistons Texten NICHT. Mir auch nicht.

 

20:06: Eine Chorszene in verfremdetem gelben Licht. Die Menschen im Video sind nicht zu erkennen, so ausgefranst sind ihre Konturen. Es hallt wie in einer Kirche. Es ist sehr schön.

 

20:09: Wechsel wieder zu Fiston. Vor dem Lametta. “Samba, samba, samba”, singt und tanzt er. Er liest “Be-pop dans une nuit de beuverie”.

von Corinna Bodisco

19:20: Videos: Hunde beißen sich auf der Straße an den Armen ihrer Herrchen fest. Und Beiträge von Tom Bresemann. Schon wieder die Hunde.

Video-Collage TRAM 83

19:22: Fiston wieder. Hinter ihm goldenes Lametta. Weihnachtliches Jazz? “Au commencement était la pierre.” (TRAM 83 #1) Da muss ich an die Genesis denken. Requiem, Protagonist von TRAM 83 befindet sich an der Gare du Nord. Ein Knotenpunkt. Viel zu viele Menschen, Gedränge, Hitze, Getöse und endlose Rolltreppen. “toute la racaille” wird hier transportiert. Fiston findet Geräusche für die vorbeiratternden Züge. Hier finden sich auf der histoire Ebene Lucien und Requiem wieder.

 

19h34: TRAM 83. Ein verrückter, dunkler Ort. “Je suis une femme libre. Mais je cherche encore l’homme de ma vie” – (Ich bin eine unabhängige Frau, aber ich suche noch immer den Mann meines Lebens). Sind solche Frauen auch im TRAM 83 zu finden?

 

19h37:  TRAM 83 und die Gare du Nord (“eine Metallkonstruktion”) passen gut zusammen. Hier interessiert sich keiner, was du treibst. Anonymität.

 

19h38: Auf dem Bildschirm sprüht ein Feuerwerk. Lässt mich an Silvester denken und von der Lesung abschweifen. Obwohl ich Feuerwerk echtbescheuert finde.

 

19h43: Die Lesung: visuell-sprachliche Klangcollage.Wenn Fiston ins Bild kommt, wird getanzt, gesungen, mit der Stimme gespielt. Ich starre zu oft auf das Feuerwerk. Die Wiederholungen des Textes sind angenehm. Liefern mir einen Fixpunkt im Sprachfluss.

von Corinna von Bodisco

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18:47: Der Raum ist leicht abgedunkelt und füllt sich (es wird richtig voll!!). Zuschauer sitzen auf Stühlen, im vorderen Teil auf großen “QR”-Kissen vor einer Beamerprojektion. Boxkampf.

 

18:55: 1:1. Wird es ein Kino-Abend?

 

19:03: 2:2. 1:4. Zwei Boxer mit großen Muckis. Schnelle aufeinanderfolgende Runden. Sehr dunkles Bild. Muss wohl aus den Neunzigern oder so stammen. Der Schiedsrichter muss andauernd dazwischen gehen.

 

19:10: Ich fühle mich wie in einer Aula. Ah. Nun erscheint Fiston Mwanza Mujila auf dem Bildschirm. Lacht. Plötzlich wechselt er zum “Monologue d’un damné“. Krasser Übergang. Der Verdammte kotzt seine Probleme. Staccato. Fiston versagt die Stimme ein bisschen. Sie kippt nach hinten weg.

 

19:14: Einblendung einer Zeichnung. Übersetzung. Die Stimme ist angenehm. Wirkt wie ein typisch deutsches Hörspiel. Wer liest die Übersetzung?

 

19:17: “Kotzen, kotzen, kotzen bis zur Ohnmacht.” Schülerkommentare werden eingespielt – von den Schülern selbst eingesprochen. Das wirkt auch alles sehr  vorgelesen. Ich wünsche mir gerade jemanden, der auf Fistons Performance antwortet.

von Corinna von Bodisco

 

 

 

 

 

 

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Es gab sehr viele Ebenen, gestern im Nexus-Labor. Keine normale Lesung. „It was so different!“, hörte ich danach eine Zuschauerin verlauten.

 

Während der Lesung von „Les Veilleurs“ / „Die Wächter“ übersetzten, kommentierten und unterhielten sich Thomas Köck und die Kuratorin Gerhild Steinbuch über ein Google Drive Dokument mit dem Namen „Nexus“. Sie googelten auch Begriffe. Die ganze Zeit über.


Lesung: Cette mauvaise chaise / Dieser schlechte Stuhl

 

Ab und an wurde Musik eingespielt und Kommentare von Schülerinnen und Schülern miteinbezogen:

 

Dann war da noch das Publikum, das eigentlich mitmachen sollte. Hat nicht ganz geklappt, ist aber eine spannende Idee! Es stellt sich ja auch die Frage, ob das Publikum gestern dazu Lust gehabt hätte, oder ganz zufrieden damit war, sich einfach nur einen Eindruck von dem etwas „anderen“ Lesungs-Labor zu machen.

 

Foto: gezett.de

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Zum Abschluss performte Nadine Finsterbusch eine Live-Soundcollage, inspiriert von „Die Wächter“. Den atmosphärischen, extraterrestrischen Klängen konnte ich am Ende nur sehr schwer folgen. Vielleicht wäre ich am Anfang dafür noch aufnahmefähiger gewesen.

 

Den ganzen Abend über sah ich übrigens eine Parallele zwischen dem Live-bloggen und dem Schreiben im Google Drive Dokument: Ein rasches und sehr ehrliches Kommentieren von Eindrücken.

 

Die Performance überforderte ganz absichtlich. Es war nicht Ziel, dass alles rezipiert, alles bemerkt wird. Jeder fokussiert anders und geht mit einem anderen Eindruck nach Hause.

 

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Solche „anderen“ Lesungen könnte es meiner Meinung nach viel mehr geben. Vielleicht sollte ich dabei nicht unbedingt auch noch Live-Bloggen – oder es viel öfter tun. Ganz der evolutionären Anpassung gemäß.

 

von Corinna von Bodisco

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19:42: In Nexus’ Geschichte geht es doch um eine schwerwiegende Tat: Mord. Und zwar um einen sehr surrealen Mord. Das kommt bei mir gerade überhaupt nicht an. Denis Abrahams liest den Text eigentlich ganz amusant. Es kann aber auch sein, dass mich die witzigen Kommentare nach wie vor irritieren. Dass ich auf die Sprache, die Übersetzung, die Stimmen gar nicht achten kann.

 

19:52: Sollte das Publikum nicht miteinbezogen werden? Das hat jetzt keine Rolle mehr gespielt.

 

19:53: “Je tombe et je n’arrête pas à tomber.”

 

19:54: Oh, ein eingespieltes Interview. Interessant. Die aufgenommene Kinderstimme gibt Antworten darauf, warum Nexus drei Menschen getötet hat. “Vielleicht hat der Mann zu viel Alkohol getrunken.”, “Vielleicht kauft er sich ein paar Bodyguards. Weil die können ja dann dem Gericht sagen, dass sie ihn rauslassen sollen.”

 

19:56: Karen liest Schüler-Kommentare. Die haben sich auch total Gedanken gemacht.

 

19:58: Gerhild googelt “Einbildung von Menschen”. Danach Musik von Morrissey.

 

20:00: Vincent liest aus seinem neuen Text. Gerhild scrollt in den Kommentaren zu Vincents’ Text “Die Wächter”.

 

20:04: Karen liest: Nexus hat einen imaginären Freund, der in seinem Kopf lebt. Thomas fordert die Zuschauer per Drive-Dokument auf, das “google-translate” und den Text auf Französisch zu lesen. Linke Seite, rechte Seite. Lacher im Publikum.

 

20:06: Drive Dokument: Foto eines Drachens aus einem Puppenspiel. “Nexus, das sind wir”. Gegoogeltes Foto einer Katze (oder war es doch ein Foto eines Kommentars zum Text?)

 

20:10: Nadine Finsterbusch macht eine Soundcollage. Stimmen: verfremdete, fast extraterrestrisch wirkende Stimmen (Kommentar im Goole docs: “Nexus hört sich lateinische Liebeslieder an”). Es geht um das Gold in „Les Veilleurs”.

 

20:18: Ich muss den Beitrag posten. Der geliehene Laptop hat kaum noch Saft.

Fazit: Reizüberflutung, Google, Google, Google, Soundart, Klangerlebnis, Publikumsinteraktion (die noch viel weiter hätte gehen können…), omnipräsente Fotografen.

 

von Corinna von Bodisco

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19:19: Die Lesung hat begonnen. Vincent liest, Gerhild und Thomas kommentieren: “Ich weiß überhaupt nicht mehr was stimmt, das geschriebene oder das gehörte”.

Das Performance-Prinzip ist reizüberflutend. Sind alle Zuschauer dem Französischen mächtig und beziehen das Gelesene auf die Drive-Kommentare? Bestimmt nicht. Was fängt man dann mit der Lesung in Kombination mit den Kommentaren an?

 

19:24: Die spontanen Kommentare haben doch etwas mit der Nexus Geschichte zu tun!? Thomas und Gerhild führen als Nexus im Drive-Dokument Selbstgespräche. Okay…

Also eine “écriture automatique“? Einfach drauf losschreiben. Ist ein Live-Blog nicht ungefähr dasselbe?

 

19:29: Was passiert die Lesung betreffend? Karen Suender liest.

 

19:34: Ich zwinge mich, der Lesung Aufmerksamkeit zu zollen. Aber jetzt gibt’s erst mal ein Musik.

 

19:38: Die Kommentare der Schüler und Schülerinnen werden miteinbezogen. Gerhild tippt die Übersetzung in das Drive-Dokument.

 

von Corinna von Bodisco

 

 

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“Das Nexus-Labor erzählt die Geschichte weiter. Und den Raum, in dem sich diese Geschichte befindet.”

 

18:52: Ich musste auf einen anderen Laptop umsteigen. Richard und ich teilen uns ein LAN-Kabel. Internet, lass’ uns nicht im Stich.

 

18:55: links und rechts des Raumes zwei Beamerprojektionen. Zwei Google Drive Dokumente (ein und dasselbe. Ist ja Sinn der Sache) mit dem Namen “Nexus”

 

19:04: Die Performance hat noch nicht angefangen, die Teilnehmer unterhalten sich aber schon im Dokument “Nexus”. “Sollen wir eigentlich erklären, was wir hier machen?” Wäre nett, denke ich.

 

19:07: Richard hat schon den ersten Post hochgeladen. Aus der Box neben mir tönt lighte Musik. Die Mitwirkenden sitzen um einen Tisch in der Mitte. Gerhild Steinbuch und Thomas Köck vor zwei Laptops.

 

19:10: Begrüßung, Hinweis auf das Programmheft und den QR-Code. Gerhild und Thomas unterhalten sich ohne Unterlass über das Drive Dokument

 

19:11: Das Nexus Labor dauert 60 Minuten (Denis Abrahams).

 

19:13: Wir Zuschauer sind als Laboranten und Laborantinnen gefragt. Wir sollen eingreifen, zupacken, Regeln brechen. Aha… Ein Mitmach-Labor also?

 

19:14: “Nexustisch”, schreibt Thomas. Nice! Gerhilde informiert uns über Drive, dass sie nebenbei einen Kurzfilm dreht.

 

von Corinna von Bodisco